Sonntag, 3. März 2013

BEAM ME UP, LORELAIS!

Der Cast von Gilmore Girls (Sherman-Palladino, USA 2000-2007, The CW)

















Die Serie Gilmore Girls von Amy Sherman-Palladino bietet einen ganzen Auflauf skurrilster Figuren, an denen ich mich auch nach dem Ende der Show im Jahr 2007 nie satt sehen konnte. Jetzt schreibe ich eine Hausarbeit über die originelle Mutter-Tochter-Geschichte, und werde dafür von allen Seiten mit skeptischen Blicken bedacht. Diese 'Mädchenserie', ernsthaft? Jawoll! Wer Gilmore Girls nämlich nach einem oberflächlichen Blick von außen als typisch banale Familienserie abtut, der ist ganz schön blöd.

Lauren Graham als Lorelai Gilmore (Sherman-Palladino, USA 2000, The CW)
Zum einen ist da natürlich das Offensichtliche, das Gilmore Girls so von anderen zeitgenössischen Produktionen abhebt: die Dialoge erinnern in ihrem hohen Tempo und überschäumenden Witz an die amerikanischen Screwball-Komödien der Dreißiger Jahre. Gewürzt wird das Ganze mit einer Extraportion postmodernem Anspielungsreichtum. Literatur, Film, Personen und kulturelle Phänomene - alles findet seinen berechtigten Platz in den smarten Scripts von Amy Sherman-Palladino. Und was bin ich stolz, wenn ich mal wieder eine der zahlreichen Anspielungen begriffen habe. Um es mal ganz ekelhaft pseudopolitisch auszudrücken: bei Gilmore Girls wird Fernsehen zum Bildungserlebnis.

Lauren Graham und Melissa McCarthy in Gilmore Girls (Sherman-Palladino, USA 2001, The CW)






















In den zehn Merkmalen des Quality-TV nach Robert J. Thompson heißt es außerdem, Qualitätsserien würden kontroverse Themen ansprechen und durchaus auch mal Sprengstoff für Diskussionen bieten. Gilmore Girls ist zwar sicher keine TV-Show, nach deren Ausstrahlung sich eine ganze Nation in die Haare kriegt, Kontroversen erhalten aber durchaus ihren Platz. So unterstellt Lisa A. Davis der Serie in ihrer Masterarbeit eine romantisierende Darstellung alleinerziehender Mütter, die die harte alltägliche Realität einfach komplett vor den Türen der bunten Kulissenwelt lässt. Während andere Analytiker die Show gerade für ihren Mut loben, unbequeme Themen nicht von vornherein auszusparen.

Alexis Bledel und Lauren Graham in Gilmore Girls (Sherman-Palladino, USA 2006, The CW)






















All das spricht für Qualität, wirklich gute und ausgewogene Serien zeichnen sich aber auch durch einen weiteren Aspekt aus: den Kult-Faktor. Unvergessliche Serienuniversen wie die von Star-Trek haben den Grundstein des Cult-TV gelegt und verleiten schnell zu der Annahme, bei Kultserien handele es sich immer um Science-Fiction. Übernatürliche Phänomene werden wir in Gilmore Girls wohl lange suchen müssen. Genau genommen ist die Grundidee der Produktion sogar ein klein wenig fleischlos (und ja, ich gebe es zu, in den hinteren Staffeln sackt das Niveau etwas ab). Aber mit spektakulärer Storyline und aufwendigen Special-Effects wäre die Serie wahrscheinlich auch hoffnungslos überladen. Die besondere Herangehensweise an die Darstellung der auf den ersten Blick alltäglichen Situationen und Umgebung reicht völlig aus, um Gilmore Girls einen individuellen Anstrich zu verpassen.

Scott Patterson und Lauren Graham in Gilmore Girls (Sherman Palladino, USA 2005, The CW)
Aber spinnen wir doch das Science-Fiction-Ding mal weiter. Mit ein wenig gutem Willen lässt sich der Hauptschauplatz, die fiktive Kleinstadt Stars Hollow, durchaus als fremder Planet denken, bevölkert von merkwürdigen Aliens (Kirk!). Eine Welt, aufgebaut auf ganz eigenen Regeln, die nicht einmal für Figuren aus dem Serienuniversum gänzlich durchschaubar erscheinen. Man denke nur an Lorelais kurzzeitigen Ehemann Christopher und den viel zu mickrig geratenen Begrüßungskorb für das frisch verheiratete Paar (Knit, People, Knit!).

Und dann ist da noch Lorelai selbst, deren Geschichte, wenn nicht Science-Fiction, dann aber doch einen gewissermaßen märchenhaften oder sogar utopischen Charakter besitzt. Vom Zimmermädchen mit Teenagerschwangerschaft zur Hotelbesitzerin und Mutter einer Yale-Absolventin. Wenn das mal nichts ist. Von den Bewohnern der Stadt wird Lorelai dafür als Heldin geachtet und geliebt.

Lauren Graham als Lorelai Gilmore (Sherman-Palladino, USA 2003, The CW)


Liebe ist überhaupt ein gutes Stichwort. Denn geliebt werden die Gilmore Girls von ihren Fans, und das ist für eine Serie wohl das wichtigste, egal, ob sie vorrangig wegen der Seifenopernelemente oder der kulturellen Anspielungen geschaut wird. Im größten Teil der online veröffentlichten Fanfiction bleibt die Ideologie der Show erhalten, als sei sie ein schützenswertes Refugium. Junge Frauen mit einem freundschaftlichen Verhältnis zur eigenen Mutter sehen sich als Angehörige eines kleinen Clubs von exklusiven Auserwählten, die wirklich mitreden können. Auf diese Weise schaffen es die Gilmore Girls, den Spagat zwischen Kult und Qualität, zwischen Fankultur und Mainstream zu meistern. Dafür muss ich sie einfach lieben, our little corner of the world...

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