Montag, 25. Februar 2013

DAS OSCARS-PROTOKOLL EINER SCHLAFSUCHENDEN

Verleihung der 85th Academy Awards, 24.02.2013 (AMPAS)
00:25 Uhr: Meine Eltern habe ich ins Bett geschickt und bin ins Wohnzimmer vor den einzigen Fernseher im Haus mit akzeptabler Größe gezogen. Schokolade steht bereit, ich stecke im perfekten Jogginghosen-Halbschlaf-Outfit und überlege noch immer, ob ich mit der Koffeinzufuhr lieber vorbeugend beginne, oder erst wenn es ernst wird.


00:40 Uhr: Ich rege mich über die Pro7-Moderatoren auf. Wieso die Topmodel-Gewinnerin? Was hat die mit Film am Hut? Ich meine, ich hätte das auch gemacht.


01:10 Uhr: Jane Fonda ist an Steven Gätjen vorbeigegangen. Er fertigt Gael Garcia Bernal ab. Nachher will er Anne Hathaway mit einem Schnitzel-Ruf abfangen. Die Taff-Tante kriegt unterdessen vor laufender Kamera eine Gesichtsmaske in dem Laden, in dem auch schon VWX und XYZ waren.


01:20 Uhr: Steven Gätjen – blamiert von der jüngsten Nominierten ever. Danke Quvenzhané Wallis. Wenn der Moderator blöde Fragen stellt, einfach nicht antworten.


01:30 Uhr: ABC übernimmt – Gätjen ab sofort nur noch in den Werbepausen. Plötzlich wirkt alles so professionell.


01:36 Uhr: Deutsche Schauspielkollegen heucheln Freude für Christoph Waltz. Amerikanische Moderatorin mit Feuermelderstimme vergleicht ihre Körpergröße mit Bradley Coopers Mutter und lässt sich von ihm zurück in ihre Schuhe helfen. Nicole Kidman versucht sich an einem richtigen Gesichtsausdruck.


01:43 Uhr: ABC feiert sich als Förderer junger Filmmenschen. Die erste Müdigkeitswelle schlägt über mir zusammen. Die Schauspieler sind alle in Begleitung ihrer Mütter.  Oder war das wieder Kristin Chenoweth?


02:00 Uhr: Jennifer Aniston: „This is an important night in our industry.“  Ach, für die Mode-Branche?


02:13 Uhr: Enthüllung des #oscarmystery. Dorothys rote Schuhe aus The Wizard of Oz stehen in einer Glasvitrine auf dem roten Teppich herum. Ähm, wieso eigentlich? Und endlich weiß ich, woran mich Halle Berrys Kleid erinnert: an die Roboter-Maria aus Metropolis.


02:26 Uhr: Die Red Carpet-Show ist zu Ende. Oh Gott, und ich bin jetzt schon so müde. Aber die Taff-Tante und das Topmodel-Blondchen regen mich immer noch auf.


02:37 Uhr: Die Show hat begonnen. Seth MacFarlane singt einen billigen Song über Brüste. Captain Kirk schwebt über allem. Oh, jetzt eine Tanzeinlage mit Joseph Gordon-Levitt und dem Potter-Darsteller, wie heißt der noch gleich?


02:47 Uhr: Noch eine Tanzeinlage. Irgendwie sieht diese Oscar-Verleihung aus wie eine Neuauflage von The Artist, nur diesmal in Farbe und mit Ton.


02:29 Uhr: Endlich die erste Verleihung! Daumen drücken für Philip Seymour Hofman! … Aaaaach Christoph Waltz. Der IMMER die gleiche Rolle spielt. Man. Aber immerhin heult er fast, und es sieht ehrlich aus. Das nimmt mir irgendwie alle Argumente gegen ihn.

Christoph Waltz und Jamie Foxx in Django Unchained (Tarantino, USA 2012, Sony Pictures)


02:59 Uhr: Ein Kilt auf der Oscar-Bühne! 
 
03:09 Uhr: Wehe, die Avengers gewinnen Special Effects… … … Life of Pi! Yes! Endlich mal kein FX-DemoReel. By the way: Wach bleiben, Katrin! Wach bleiben! Und die erste Rede, die vom Orchester abgewürgt wird! Ich hab ja so drauf gewartet.


03:15 Uhr: Montage von Flight. Jedes Mal bin ich unbegeistert von den Bildern, bis Gimme Shelter reinkommt. Bin ich so leicht zu manipulieren? Habe vorhin übrigens einen Artikel gelesen, der mir ankündigt, gerade die längste Oscar-Show überhaupt zu sehen. Hm… Koffeinkick? Vorschlafen? Wachbleiben und den Montag verschlafen? Denken wird langsam schwieriger.


03:17 Uhr: JA! Costume Design für Jacqueline Durran – Anna Karenina. Absolut verdient. Und keins der billigen Schneewittchen! HA! Und wieso haben die Gewinner fürs Beste Make-Up und Hairstyling eigentlich selbst immer so furchtbare Frisuren?

Anne Hathaway in Les Misérables (Hooper, USA/UK 2012, Universal Pictures)

03:25 Uhr: Shirley Bassey singt Goldfinger im Goldfummel. Oh weh. Die gute Frau ist halt keine 25 mehr. 


03:26 Uhr: Ihre Stimme fängt sich. Das Kleid bleibt schlimm.


03:35 Uhr: Oh, diverse Liveblogs haben mich von der letzten Verleihung abgehalten. Multitasking morgens um halb vier!? Ich glaube nicht. Es fällt mir zunehmend schwer, den Reden zu folgen. Lieber wieder Songs über Brüste.


03:50 Uhr: Amour gewinnt Best Foreign Picture. Damit ist es wohl sicher: Best Picture für Lincoln oder Argo.

Daniel Day-Lewis in Lincoln (Spielberg, USA 2012, 20th Century Fox)



03:53 Uhr: John Travolta sieht immer mehr aus wie ein breiter, gealterter und gebotoxter Tom Cruise. Aber ein großes WOW! für die Stimme von Jennifer Hudson. Trotzdem wirken die Showeinlagen, die an Hollywoods jüngere Musicals erinnern sollen, schon ein wenig angestrengt.


04:03 Uhr: Helena ist da! MEINE Helena Bonham Carter! Sie sieht so schön skeptisch aus. Ach, ich liebe diese Frau. Der komplette Cast der Elenden ist zum Chorgesang angetreten. Sie ist die Beste, und eigentlich hat sie bestimmt keine Lust. Das trifft auch auf Russell Crowe zu. Alle mal Ohren zuhalten.


04:15 Uhr: Thor holt sich seinen Oscar ab. Sound Editing für den Bin Laden-Film. Und noch einer für Skyfall. Wir haben den ersten Tie seit 1994! Und übrigens ist das hier die Oscar-Show der langhaarigen Typen und kurzhaarigen Frauen. 


04:24 Uhr: Anne Hathaway gewinnt Supporting Actress. Nicht wirklich überraschend, aber ich hätte es ja eindeutig auch Amy Adams gegönnt. Oh man, wir haben noch einiges vor uns…

Szene aus Life of Pi (Lee, USA/Tw 2012, 20th Century Fox)



04:35 Uhr: Endlich Adele mit Skyfall. Aua, da ging ein Ton daneben. Okay, zweiter Refrain gerettet. Wirkt etwas uninteressiert, die Gute. Aber bei ihr ist das schon Jammern auf hohem Niveau.


04:42 Uhr: Nicole Kidman versucht wieder einen Gesichtsausdruck. Auftritt Kristen Stewart, so als Hermine-Ersatz neben Daniel Radcliffe. Man, sieht die fertig aus. Ob sie sich die vielen Goldenen Himbeeren zu Herzen nimmt? Selma Hayek kündigt mit hocherotischem Akzent die Honoraries an.


05:00 Uhr: Barbra Streisand singt im Rahmen des Memoriam, und ich find‘s gar nicht schlecht. Liegt das jetzt an meiner Müdigkeit? Noch acht Vergaben. Ich beginne den Countdown zum Schlafen gehen. Wieder goldene Glitzerkleidchen auf der Bühne. Und Life of Pi gewinnt Original Score.


05:14 Uhr: Schon wieder Musik, diesmal Norah Jones. Ich kann mir nicht helfen, ich mag die einfach nicht. Ist im Grunde nur etwas bessere Fahrstuhlmusik. Ihre Schwester dagegen… Unterdessen ist im oberen Stockwerk mein Vater wieder aufgestanden.


05:23 Uhr: Auweia, der winzige Dustin Hoffman neben der großen, Erzengel-gleichen Charlize Theron. Was für ein Bild. Argo gewinnt Adapted Screenplay. Der Autor wirkt etwas wie auf Speed. Und nun Original Screenplay! Oh bitte, Moonrise Kingdom! … … … Tarantino, ungekämmt. Ich kann ihn nicht mehr sehen.


05:32 Uhr: „It’s late“, sagt Seth. Wie bitte!? Bei mir ist es 05:32, du Lappen!


05:34 Uhr: Ang Lee gewinnt den Regie-Oscar für Life of Pi. Halleluja, nicht Spielberg! Und schon wieder eine Werbepause. Kommt jetzt wahrscheinlich vor jeder einzelnen Vergabe. 

Jennifer Lawrence in Silver Linings Playbook (Russell, USA 2012, Presse Senator)



05:40 Uhr: Boah, sieht Kristen Stewart gelangweilt aus. Ich hab allerdings auch so langsam meine Probleme. Jetzt aber Beste Hauptdarstellerin. Jessica Chastain wird’s machen. Emmanuelle Riva sollte... Jennifer Lawrence macht‘s. Ok, kann ich akzeptieren.


05:45 Uhr: Meine Meryl Streep ist endlich da. Ohne sie wären das ja auch keine richtigen Oscars. Und jetzt Daumen drücken für Joaquin Phoenix! Wird eh nix… Na, wer sagt’s denn – Daniel Day-Lewis. Macht Witze über einen Rollentausch mit Meryl. Er als Maggie Thatcher? Well…


05:52 Uhr: Michelle Obama hält eine Baukastenrede, die auf so ziemlich jeden Film passt. Jack Nicholson präsentiert die Nominierten. Na, ob es Argo macht? Schade, dass Beasts of the Southern Wild so gar keine Chance hat … Trommelwirbel…  Jawoll, Argo. Unnu? Ben Affleck ist GANZ dezent aufgeregt. Aber wirklich nur ganz dezent. Herrjee, und nun schon wieder diese Kristen Chenoweth. Ist es schlimmer, wenn sie spricht oder wenn sie singt? 

Ben Affleck in Argo (Affleck, USA 2012, Warner Bros.)
Das ist mein Stichwort. Ab ins Bett. Over and out.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen