Sonntag, 24. Februar 2013

BERLINALE 2013: NOBODY'S DAUGHTER HAEWON TRÄUMT ZU VIEL

Jung Eunchae in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)

Die Berlinale ist seit einer Woche vorbei, ich komme trotzdem erst jetzt zur Kritik meines letzten Filmes. Um 10 Uhr früh an einem Samstag sitze ich im Haus der Berliner Festspiele, und kämpfe nach der umständlichen Anreise in viel zu engen Sesselreihen gegen meine Müdigkeit an. Während ich mir in den Hintern beiße, weil ich am Bahnhof doch keine Club Mate mehr gekauft habe, läuft auf der Leinwand der Wettbewerbsbeitrag Nobody's Daughter Haewon (Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon) von Hong Sangsoo. Ein letztes Mal der rot-goldene Berlinale-Vorspann, schade.

Haewon (Jung Eunchae) hat es nicht leicht. Ihre Mutter wandert aus nach Kanada, ihre Kommilitonen lehnen die junge Frau als zu elitär ab, und die heimlich geführte Beziehung zu ihrem Professor verschafft ihr auch keine Erfüllung. Die Trennung erscheint ihr als letzter Ausweg, an potentiellen Liebhabern mangelt es ihr schließlich nicht. Leider akzeptiert Seongjun (Lee Sunkyun) die Trennung aber nicht. Stattdessen fliegt die Affäre zufällig auf, und plötzlich will Seonjun Frau und Baby verlassen, um mit Haewon durchzubrennen. Für die junge Frau steht das nicht zur Debatte, und so flüchtet sie irritiert aus ihrem Alltag. Einen Rückzugsort bietet ihr eine alte Festung oberhalb von Seoul.

Jung Eunchae in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)
Nobody's Daughter Haewon ist der erste Film, in dem Regisseur Sangsoo die männliche Perspektive verlässt und sich ganz auf eine weibliche Protagonistin konzentriert. Detailreich schmückt er die Figuren aus, aber trotz meiner Vorliebe für neurotische Charaktere bleibt mir die Schauspielstudentin seltsam fremd. Sie lacht an den unpassendsten Stellen, hat eine eigentümlich linkische Körperhaltung, und betont immer wieder, Alkohol nicht zu mögen, während sie Unmengen Reiswein in sich hinein schüttet.

Jung Eunchae und Lee Sunkyun in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)
Trotzdem erscheint mir Haewon noch immer als liebenswerteste Figur. Ihr Liebhaber Seongjun hingegen sorgt im Kinosaal für einiges empörtes Ächzen. In ewiger Hinhaltetaktik kann er sich nicht zwischen Affäre und Familie entscheiden, was ihn nicht gerade zum Sympathieträger macht. Aber spätestens als er großspurig seine epochale Lieblingsmusik ankündigt, und dann statt Beethoven eine verrauschte Schwertkampftrash-Kitschmelodie aus seinem Walkman dudelt wird klar, das hier ist eine eher tragische Figur.

Lee Sunkyun und Jung Eunchae in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)

Manchmal wünsche ich mir während des Filmes sehnlichst, ich wäre des Koreanischen mächtig. Die Dialoge versprühen immer wieder einen Woody-Allenesken Charme, aber so richtig will der Funke bei mir nicht überspringen. Und vielleicht würde sich mir im Original auch eher erschließen, wieso Hong Sangsoo immer wieder völlig unnötigerweise an seine Figuren heranzoomt. Nicht etwa, um sie tiefgründiger in Augenschein zu nehmen. Nein, seine Zooms erwecken manchmal eher den Eindruck eines mittelmäßigen Fernsehspiels. Und wo wir gerade bei filmischen Ziellosigkeiten sind: wieso Haewon zu Beginn des Filmes Jane Birkin trifft, von der sie auch direkt ihre private Pariser Telefonnummer bekommt - ich verstehe es bis heute nicht.

Jung Eunchae, Lee Sunkyun und andere in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)


Und dann ist da noch die Traum-Thematik. Irreale Wirklichkeit und realistisch wirkende Träume - ich bin mit hohen Erwartungen an diesen Film herangegangen. Letztlich erschien mir die Herangehensweise dann aber doch einen Tick zu banal. Haewon einfach immer wieder in der Bibliothek von ihren Büchern hochschrecken zu lassen, endeten so nicht immer die ganzen Geschichten, die wir in der Grundschule schreiben mussten?

Einen gewissen Charme kann ich Nobody's Daughter Heawon trotz allem nicht absprechen. Viele hübsche Einfälle stecken in dieser kleinen Produktion, und eigentlich ist es schade, dass wir sie in den deutschen Kinos wohl nicht so bald bewundern werden dürfen. 

Jung Eunchae und Lee Sunkyun in Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon (Hong Sangsoo, RK 2013, Finecut)

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