Montag, 18. Februar 2013

BERLINALE 2013: LOVELACE UND DAS PORNO-PARADOX

Peter Sarsgaard und Amanda Seyfried in Lovelace (Epstein/Friedman, USA 2012, Nu Image/Millennium Films)
Es ist seltsam, wenn man Menschen googelt, über die man gerade ein Biopic gesehen hat. Meistens ist die Realität eben doch nicht so glamourös ausgeleuchtet wie der Film, also wieder mal schnöde auf eine Iszenierung reingefallen. So ähnlich muss es auch der jungen Linda Boreman gegangen sein, als sie Chuck Traynor kennenlernte.

Chuck (Peter Sarsgaard) ist so ganz anders als die erzkonservativen Eltern (Sharon Stone & Robert Patrick). Also lässt die Hochzeit nicht lange auf sich warten, und nur ein halbes Jahr später ist Linda (Amanda Seyfried) eine frustrierte Hausfrau mit Geldsorgen. Chucks Methoden zur Aufbesserung der Haushaltskasse sind mehr als fragwürdig, und so findet sich Linda plötzlich in der Filmbranche wieder. Deep Throat wird zum Kassenschlager, Klassiker der Pornoindustrie, und seine Protagonistin zum Star. Nur bleibt eben auch das zugehörige Image an ihr kleben.

Amanda Seyfried, Chris Noth, Adam Brody und andere in Lovelace (Epstein/Friedman, USA 2012, Nu Image/Millennium Films)
Amanda Seyfried spielt in Lovelace eine erstaunlich facettenreiche Linda, verbleibt weder bei dem glamourösen Pornostar, noch bei der unsicheren Ehefrau. Chris Noth wird in meinen Augen zwar immer Mister Big bleiben, trotzdem spielt er seine Rolle überzeugend, und James Franco als junger Hugh Hefner sorgt für amüsante Momente.

Amanda Seyfried in Lovelace (Epstein/Friedman, USA 2012, Nu Image/Millennium Films)
Und dann ist da noch Peter Sarsgaard. Sein Chuck ist von der ersten Minute an ein so unsympathischer Macho, dass es eine zweifelhafte Freude ist. Aber genau hier liegt auch das Problem von Lovelace. Die Figurenzeichnung ist letztlich doch zu einfach auf schwarz-weiß herunterzureduzieren. Chuck ist eben der Böse und Linda wendet sich am Ende gegen die verrufene Pornoindustrie um sich der kuscheligen Kleinfamilie zuzuwenden. Ende gut, alles gut. Da lässt auch die etwas konstruiert anmutende Zweiteilung den Film nicht differenzierter wirken, die den Aufstieg der Linda Lovelace noch einmal aus einer Perspektive zeigt, die in der ersten Hälfte im Grunde schon allzu deutlich vorauszusehen war. 

Peter Sarsgaard und Amanda Seyfried in Lovelace (Epstein/Friedman, USA 2012, Nu Image/Millennium Films)
Lovelace verschenkt viel Potential. Die Darstellung der innerlichen Wandlung von der verschüchterten Ehegattin zur toughen Frau hätte ich Amanda Seyfried durchaus zugetraut. Leider findet dieser Wandel im Film nur schlicht nicht statt. Ein Zwischentitel zeigt an seiner Stelle die verstrichene Zeit an, und plötzlich sitzt Linda in einer Talkshow und reflektiert über ihre Vergangenheit. So kommt es zu dem Paradox, dass ein Biopic mit den Themen Porno, Misshandlung und häusliche Gewalt letztlich doch in erster Linie nette Unterhaltung abgibt. Schade eigentlich.

Szene aus Lovelace (Epstein/Friedman, USA 2012, Nu Image/Millennium Films)

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