Sonntag, 19. Mai 2013

XAVIER DOLANS FRAUEN

Suzanne Clément in Laurence Anyways (Dolan, CA 2012, NFP Marketing & Distribution)



Bald startet Laurence Anyways in den deutschen Kinos, der dritte Streich des kanadischen Regisseur-Wunderkinds Xavier Dolan. In seinen Filmen erzählt er von schwierigen zwischenmenschlichen Verhältnissen, von scheiternden Lieben und zermürbenden Freundschaften. Im Zentrum stehen dabei gern die Männer. Das von der eigenen Mutter angewiderte Alter Ego des Regisseurs im Erstlingswerk J'ai tué ma Mère, ein engelsgleich schöner Lockenkopf in Les Amours Imaginaires und ein Lehrer und Poet während seiner Wandlung zur Frau in Laurence Anyways.

Aber wenn ich ehrlich bin: so richtig spannend sind eigentlich erst die Frauenfiguren von Xavier Dolan.  Da wäre aus J'ai tué ma Mère natürlich Anne Dorval als die totgesagte Mutter. Weil Hubert sie so leidenschaftlich liebhasst, interessieren wir uns als Zuschauer automatisch viel mehr für diese schwer greifbare Figur. Denn was ist es eigentlich, das Hubert zu so extremen Gefühlen ihr gegenüber animiert?

 
Anne Dorval in J'ai tué ma Mère (Dolan, Canada 2009, KOOL Filmdistribution)

Anne Dorval in J'ai tué ma Mère (Dolan, Canada 2009, KOOL Filmdistribution)
Anne Dorval hat auch im Nachfolger Les Amours Imaginaires wieder einen kurzen Auftritt als exzentrische Mutter des vorhin erwähnten Lockenkopfs. Aber. Wie kann man eine andere Person anschauen, wenn auf dem selben Bildschirm auch die göttliche Monia Chokri zu sehen ist?

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)
Diese überirdisch schöne Frau spielt in Les Amours Imaginaires die gute Freundin von Francis (Dolan), die plötzlich mit ihm zu konkurrieren beginnt, als Nicolas (Niels Schneider) auftaucht. Nicolas ist hübsch, offen, stets bestens gelaunt - und macht beiden Hoffnung. 

Xavier Dolan, Niels Schneider und Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)
Was Monia Chokri in diesem Film optisch doppelt interessant macht, ist ihre Garderobe. Auf den ersten Blick wirkt sie so modern, emanzipiert, exzentrisch, stark - und doch kontrapunktiert sie das mit einem 50er-Jahre-Look, der zwar ihre Weiblichkeit ganz bezaubernd hervorhebt, aber eben mit einer extrem repressiven Dekade verknüpft ist. 

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)
Mit fortschreitendem Film wächst Monia Chokri immer weiter über sich hinaus. Ihr getriebener Blick gepaart mit dem exzessiv nervösen Rauchen macht sie zum eigentlichen Blickfang von Les Amours Imaginaires - noch vor dem flatterhaften Blondschopf.

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)

Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)
Am Ende ist es dann auch Nicolas, der aus dem Leben der beiden Freunde wieder verschwindet. Er hat Schaden angerichtet, aber letztlich war er nur ein Donnerleuchten - ungreifbar, flüchtig. Es bleiben Francis und Marie - das Sensibelchen und die Exzentrische.

Xavier Dolan und Monia Chokri in Les Amours Imaginaires (Dolan, CA 2010, KOOL Filmdistribution)
Monia Chokri hat noch einen weiteren Auftritt im dritten Film von Xavier Dolan: Laurence Anyways. Hier spielt sie die Schwester der Protagonistin Fred - eine nicht weniger exzentrisch gothic-angehauchte, pessimistische Skeptikerin. Und wieder wird geraucht, geraucht, geraucht.

Monia Chokri in Laurence Anyways (Dolan, CA 2012, NFP Marketing & Distribution)


Noch eine weitere Frauenfigur zieht hier in einer Nebenrolle alle Aufmerksamkeiten auf sich. Nathalie Baye in der Rolle von Laurences Mutter vermittelt das fesselnde Bild einer Frau, die ihren Sohn abwechselnd zu sich zieht und von sich stößt, ihrem Mann gehorcht und sich von ihm emanzipiert. Ihre innere Zerrissenheit macht sie zu einer derart interessanten Figur, dass man sich für sie durchaus mehr Screentime gewünscht hätte.

Nathalie Baye in Laurence Anyways (Dolan, CA 2012, NFP Marketing & Distribution)
Aber die eigentliche Hauptfigur in Laurence Anyways ist ohne Zweifel Suzanne Clément in der Rolle der Fred Belair. Während sich ihr Freund zunehmend in eine Frau verwandelt, fällt ihr die schwierige Aufgabe zu, mit der Situation umzugehen, die unerwartet über sie hereinbricht. Sie muss herausfinden, ob sie mit Laurence Veränderung leben kann, muss der feindselig gestimmten Gesellschaft, Familie, ihrem Freundeskreis die Stirn bieten und ist dabei selbst nicht überzeugt. Aus der lebenslustigen Fred wird eine zunehmend nervöse, verbissene, wütende Frau, und das spiegelt sich nicht nur in ihrer mit der Zeit immer konventioneller erscheinenden Frisur.

Suzanne Clément in Laurence Anyways (Dolan, CA 2012, NFP Marketing & Distribution)

Suzanne Clément in Laurence Anyways (Dolan, CA 2012, NFP Marketing & Distribution)
Freds aufgestaute Wut kulminiert in einer sehr intensiven Szene, in der sie die unsensible Bedienung in einem Café anbrüllt, mit all ihrer verbliebenen Kraft, stellvertretend für alle Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren ist. Vielleicht ist es ein Trost, dass sie es ist, die in Erinnerung bleiben wird.

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